Echtzeitforschung am Kirkendall-Effekt
Was passiert im Material?
Der Kirkendall-Effekt kann zu Problemen wie Kabelbrüchen in Handys oder Schäden an Flugzeugturbinen führen. Der Effekt sorgt dafür, dass Materialien porös und instabil werden. Prof. Dr.-Ing. Bettina Camin, die an der Hochschule Bremerhaven lehrt, möchte herausfinden, wie diese Porosität entsteht. Als erste Wissenschaftlerin beobachtet sie die Bildung von Leerstellen (winzige Hohlräume im Material) in Echtzeit an der Hochschule Bremerhaven. Für ihre Forschung hat sie kürzlich Experimente an einer großen Forschungseinrichtung in Grenoble durchgeführt. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.
**Wie entsteht der Kirkendall-Effekt?**
Der Effekt tritt auf, wenn zwei verschiedene Materialien bei hohen Temperaturen aufeinandertreffen. Dabei wandern Atome der Materialien auf die jeweils andere Seite, aber nicht gleichmäßig. Zum Beispiel wandern die Atome von reinem Nickel langsamer als die von Nickel mit Aluminium. Dadurch entstehen zunächst winzige Hohlräume, die mit der Zeit größer werden, bis das Material brüchig wird. Prof. Camin erklärt: „Die Poren beginnen kugelförmig und verändern sich dann zu Formen wie Tropfen oder Ankern.“
**Echtzeitbeobachtung der Porenbildung**
Um zu verstehen, warum die Poren ihre Form ändern, untersucht Prof. Camin mit ihrem Team die Entstehung der Poren in Echtzeit. Dafür nutzen sie eine Technik namens Synchrotron-Röntgen-Tomographie, die hochauflösende 3D-Bilder ermöglicht. Das Material wird dabei auf bis zu 1.300 °C erhitzt, und erste Poren sind nach 24 Stunden sichtbar. „Das hat vor uns noch niemand so gemacht“, sagt Prof. Camin. Sie hofft, dass sie so vorhersagen können, wie sich Poren unter bestimmten Bedingungen entwickeln. Das würde helfen, Defekte besser zu kontrollieren.
**Forschung in Grenoble**
Ein Teil der Experimente fand in Grenoble statt, an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF). Diese große Forschungseinrichtung wird von öffentlichen und privaten Forschungsteams genutzt. Prof. Camin und ihre vier studentischen Mitarbeiter haben dort intensiv gearbeitet, um die Versuche durchzuführen. „Ich habe ein tolles Team, das sehr selbstständig arbeitet“, sagt Prof. Camin.
**Auswertung der Daten**
Das Team hat etwa 20 Terabyte an Daten gesammelt, deren Auswertung mehrere Monate dauern wird. Erste Ergebnisse zeigen, dass die untersuchten Parameter tatsächlich einen Einfluss auf die Schädigung des Materials haben. „Wir sind zuversichtlich, dass wir unser Projektziel erreichen können“, sagt Prof. Camin.
**Kooperationsprojekt**
Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt und trägt den Titel: „Kirkendall-Porosität in Diffusionspaaren: Untersuchung der Bildung und des morphologisch instabilen Wachstums mittels Synchrotronröntgen-Tomografie und Phasenfeld-Simulation“.