Heute hat die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport den dritten Bericht zu Lebenslagen im Land Bremen dem Senat vorgelegt. Der Bericht stellt dabei im Kapitel Arbeitsmarkt klar: „Erwerbsarbeit ist das zentrale Element zur Armutsbekämpfung. Die Aufnahme einer Beschäftigung oder die Aufstockung der Arbeitszeit ist für die meisten Menschen die einzige Möglichkeit, materielle Armut zu vermeiden.“
Die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm sagt dazu: „In Bremen erleben wir gerade eine gefährliche Trendwende was die Erwerbsbeteiligung von Frauen anbelangt. Wir sehen stagnierende und sogar sinkende Zahlen bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen – aber wir wissen viel zu wenig über die Ursachen. Es gilt daher, dringend die Gründe des Rückgangs zu analysieren und gegenzusteuern, anstatt die Situation zu beschönigen.“ Zwar steht in dem jetzt vorgelegten Bericht, die Erwerbstätigkeit von Frauen sei seit 2012 von 63,8 Prozent auf 68,1 Prozent im Jahr 2018 gestiegen. Aber: Seit 2018 sinkt in Bremen die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Zugleich öffnet sich die Schere zwischen Bremen und den anderen Stadtstaaten sowie zwischen Bremen und dem Bundesdurchschnitt. Während in Berlin und Hamburg sowie im Bundesdurchschnitt die Erwerbstätigenquote von Frauen in den Jahren 2017 bis 2019 stetig stieg und bei inzwischen über 70 Prozent – in Hamburg sogar bei fast 75 Prozent – liegt, kommt Bremen im Jahr 2019 nach Angaben der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder nur noch auf eine Quote von 67,8 Prozent.“
Armutsrisiko alleinerziehend: Lage verschärft sich
„Der Bericht bestätigt, dass um Armut zu verhindern, ein besonderes Augenmerk auf Alleinerziehende gerichtet werden muss. Rund 94 Prozent von ihnen sind weiblich. Dass Alleinerziehende ein erhebliches Armutsrisiko tragen, ist lange bekannt und in der aktuellen Legislaturperiode endlich auch im Fokus der Armutsbekämpfung. Der Bericht belegt und verdeutlicht die vielfach prekäre Situation von Ein-Eltern-Familien“, erklärt Bettina Wilhelm. Im Land Bremen leben aktuell rund 85.000 Familien, darunter 24.000 mit Alleinerziehenden. Das sind rund 28 Prozent der Familien. In dieser Gruppe sank die Erwerbstätigenquote ebenfalls und lag im Jahr 2019 nur noch bei 61,5 Prozent. Im Jahr zuvor waren es immerhin noch 66,4 Prozent. Auch hier zeigt sich ein alarmierender Trend. Im Vergleich zu Hamburg und Berlin ist Bremen deutliches Schlusslicht: In Hamburg liegt die Erwerbstätigenquote von Alleinerziehenden bei 75,1 Prozent, in Berlin bei 71,6 Prozent. “
Die wichtigsten Stellschrauben, um Alleinerziehende aus der Armutsfalle zu holen, sind Qualifizierung und Kinderbetreuung. Das untermauern die Zahlen des Berichts. So hatten im Jahr 2019 fast dreiviertel der Alleinerziehenden keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zwar gibt es im Land Bremen arbeitsmarktpolitische Angebote und Projekte für Alleinerziehende, doch muss deren Nutzen und Wirkung genauer analysiert werden. Wir hören immer wieder, dass die Angebote die Zielgruppe nicht erreichen“, mahnt Wilhelm. “
Außerdem müssen die Möglichkeiten zur Kinderbetreuung dringend verbessert werden.“ Während in Bremen nur 16,1 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsangebot von sieben Stunden und mehr haben, sind es in Hamburg 27,4 Prozent und in Berlin sogar 30,3 Prozent. Auch bei der Kinderbetreuung von über-Dreijährigen geht die Schere zwischen den drei Ländern stark auseinander. Während Bremen hier nicht einmal 40 Prozent erreicht, sind es in Hamburg rund 50 Prozent und in Berlin sogar über 60 Prozent. „Zudem müssen die Betreuungszeiten der Einrichtungen flexibler werden“, so Wilhelm weiter, „sie sind in Bremen noch viel zu starr und den beruflichen Erfordernissen vieler Eltern nicht angepasst.“
Situation von Migrantinnen: bessere Datenlage erforderlich
Auch Menschen mit Migrationshintergrund haben deutlich häufiger ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze als der Durchschnitt. Mehr als jede fünfte Person aus diesen Gruppen lebt mit einem erhöhten Armutsrisiko. Leider schlüsselt der Bericht die erhobenen Daten hier nicht nach Frauen und Männern auf. Während die anderen Arbeitsmarktstatistiken eine Differenzierung vornehmen, wird die besondere Situation von Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund nicht weiter dargestellt. Bettina Wilhelm:
„Gerade die Frauen, die seit 2015 in Bremen leben, sind noch lange nicht ausreichend ins Erwerbsleben integriert. Viele von ihnen stellen die Erwerbstätigkeit hintenan, bis die Kinder einen verlässlichen Betreuungsplatz haben, denn Sprach- und Integrationskurse mit Kinderbetreuung waren und sind noch immer rar. Darüber hinaus fehlen Teilzeitangebote zur Ausbildung in Betrieben und es gibt Defizite beim Zugang zu Bildungs- und Beratungsangeboten.“