Angst vor Abstieg und Kosten-Drama

Diskussion um die Eishalle in Bremerhaven

Rund 19 Millionen Euro hat sie gekostet, die neue Eishalle in
Bremerhaven. Finanziert von der Stadt über Kredite. Im Frühjahr 2011
ist die Halle feierlich eröffnet worden – die anfängliche Euphorie aber
ist bereits verflogen. Nun droht auch noch der Abstieg der
Profi-Eishockey-Mannschaft des REV Bremerhaven aus der zweiten Bundes-
in die Oberliga.

Neue Eishalle Bremerhaven [Quelle: Radio Bremen]
Entspricht den Anforderungen der DEL, doch nun droht der Abstieg in die Oberliga.

Die kommenden Entscheidungsspiele werden zur reinen Nervensache
– nicht nur für die Spieler, sondern auch für die Bremerhavener
Politiker. Für die Stadt könnte die Eishalle zum Kosten-Drama werden,
wenn die erhofften Zuschauer ausbleiben und die Kalkulation nicht mehr
aufgehen sollte. Der Abstiegskampf des REV macht die Sache nicht
einfacher. In Internetforen wird bereits darüber diskutiert, ob der Bau
der Eishalle nicht doch eine gewaltige Fehlentscheidung war.
Seit
Anfang des Jahres 2012 steckt der Wurm drin bei den Fischtown Pinguins,
und das Eis wird immer dünner: Die Mannschaft hat bisher nur einen Punkt
erzielt und steht damit auf dem letzten Tabellenplatz – mit vier
Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz zum Ende der Saison. Das
sei noch aufzuholen, gibt sich Trainer Gunnar Leidborg kämpferisch. „So
lange wir noch atmen können, werden wir alles tun. Das ist unsere
Aufgabe, das ist unsere verdammte Pflicht“, so der Schwede.

Neue Eishalle Bremerhaven [Quelle: Radio Bremen]
Viel mehr Platz für viel mehr Zuschauer – ob die Fans der Pinguins aber auch zu Oberliga-Spielen zahlreich kommen, ist offen.

In der Abstiegsrunde kämpfen seit Mitte März dieses Jahres fünf
Teams um den Klassenerhalt. Besonders bitter für die Pinguine:
Tabellenvorletzter Crimmitschau gewann am 1. April mit 2:1 in Bietigheim
und hat nun ein Vier-Punkte-Polster auf den letzten Platz, der den Gang
in die Oberliga bedeutet.

Zweite Eishockey-Liga

Datum und Uhrzeit Heimmannschaft Gastmannschaft
7. April ab 16 Uhr Fischtown Pinguins Dresdner Eislöwen
9. April ab 20 Uhr Bietigheim Steelers Fischtown Pinguins
13. April ab 20 Uhr Fischtown Pinguins Eispiraten Crimmitschau

Von
Abstieg will man in Bremerhaven nichts hören. „Die werden das schon
schaffen“, heißt es auch aus der Politik. Kein Wunder – schließlich
lässt sich die Stadt den Eishockey-Profi-Sport mehr als eine Million
Euro jährlich kosten. Mit ihren Größenordnungen erfüllt die neue
Eishalle im Gegensatz zum Vorgänger die Anforderungen der Deutschen
Eishockey-Liga (DEL) – der höchsten Spielklasse. Das war ein gewichtiges
Argument für die neue Halle: Im Jahr 2000 holte der REV den
Meistertitel in der Zweiten Bundesliga. Damit hätte er bereits in die
DEL aufsteigen können – wenn die alte Eishalle den Vorgaben entsprochen
hätte. Das tat sie aber nicht, und so blieb dem Verein die Lizenz
verwehrt.

Neue Eishalle Bremerhaven [Quelle: Radio Bremen]
Modern, praktisch – und innen warm: Vielen Eishockey-Fans fehlt der Charme der „Fischdose“.

Daraufhin sicherte die Stadt den Neubau zu. Die richtige
Entscheidung, sind sich die meisten Fans einig. Denn die Befürchtung war
groß, dass der Eissport in Bremerhaven ohne neue Halle stirbt.
Schließlich gibt es seit den 1970er Jahre eine Eishockey-Tradition in
Bremerhaven. Wohl auch deshalb war neun Jahre lang in der Politik teils
heftig darüber gestritten worden, ob sich die Stadt eine neue Eishalle
überhaupt leisten kann – zumal parallel das neue Tourismusgebiet
„Havenwelten“ entstand, das ebenfalls Millionenbeträge kostete. Neben
den erheblichen Baukosten der Eishalle fallen auch weitere Kosten für
die Unterhaltung des Gebäudes an. Mehrfach warnte die Stadtkämmerei vor
unabsehbaren Folgekosten.
Auch der Eishockey-Verein muss nun im
Jahr rund 600.000 Euro mehr einnehmen, damit er Miete und Organisation
bezahlen kann. Mit den Dimensionen der neuen Halle sind auch die
finanziellen Größenordnungen völlig andere als zu den Zeiten der alten
Eishalle. Die Bremerhavener Stadthallen-Verwaltung, die die Eishalle
mitbetreibt, ist derweil optimistisch, dass sie ein Erfolg wird und
selbst einen Abstieg der „Pinguins“ aus dem Profisport verkraften
könnte. Es ist umstritten, ob ohne Profi-Spiele weiterhin so viele
Besucher kommen werden.
Im vergangenen Jahr seien rund 70.000
Besucher bei den Spielen der Fischtown Pinguins gezählt worden. Die
Hallen-Betreiber setzen auf zusätzliche Veranstaltungen wie Trainings
für Mannschaften aus der DEL. Außerdem sei das öffentliche Eislaufen im
vergangenen Jahr lukrativ gewesen – 28.000 Menschen kame. Dieses Angebot
könne noch ausgebaut werden, hieß es. Von den Synergie-Effekten der
neuen Halle profitierten zudem Gastronomen und Hoteliers, ist auch von
der Spitze des Eishockey-Vereins zu hören.
Mancher Fan des REV
jedoch hat sich schon die alte Halle zurückgewünscht, die liebevoll
„Fischdose“ genannt wurde. Sie ist aber im Herbst 2011 abgerissen
worden. Eisige Kälte und Wasser, das von der Decke tropfte, gehörten zum
Programm in der alten Halle. Das neue Gebäude ist komplett geschlossen
und beheizt.
Eishockey in Bremerhaven: Ihre Erlebnisse aus der „Fischdose“
Auch
wenn die alte Halle marode war: Die Atmosphäre dort sei eine ganz
andere gewesen, sagen viele Fans. Mit 1.700 Zuschauer-Plätzen war es
enger und lauter als nun in der neuen Halle mit ihren mehr als 4.000
Plätzen. Hier gehen Fan-Gesänge schon mal unter. Doch eine Sanierung der
alten Halle wäre teurer gewesen als ein Neubau – in diesem Punkt war
sich die politische Mehrheit in Bremerhaven einig. Am Ende stimmte die
damals regierende Große Koalition aus SPD und CDU für den Bau der neuen
Eisarena, wie sie offiziell heißt.

Neue Eishalle Bremerhaven [Quelle: Radio Bremen]
Gute Sicht von allen Plätzen: Die neue Eishalle in Bremerhaven.

Mittlerweile haben sich die politischen Machtverhältnisse in
Bremerhaven verändert: Rot-Grün regiert. Die Grünen hatten sich in der
Vergangenheit gegen den Bau ausgesprochen. Nun müssen sie zusammen mit
der SPD das Beste aus der Situation machen. Die Besucherzahlen seien mit
rund 2.700 Besuchern pro Spiel gut, und man setze darauf, dass sich die
Halle rechne, ist aus der Koalition zu hören. An „Kaffeesatzleserei“
zur Zukunft der Eishalle jedenfalls werde er sich nicht beteiligen, so
der Bremerhavener SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Allers.

Quelle.Radio Bremen
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