„Der Anspruch auf Schutz vor Gewalt darf an der Haustür nicht enden“

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28. Frauen- und Gleichstellungsministerinnenkonferenz in
Bremerhaven beschließt Antrag zur Istanbul-Konvention / GFMK will
Rechtsanspruch auf Schutz bei häuslicher Gewalt

Frauen
und Kinder müssen besser vor Gewalt in engen Beziehungen geschützt
werden. Einen umfassenden Leitantrag dazu hat die 28. Frauen- und
Gleichstellungsministerinnenkonferenz (GFMK) heute (Freitag, 8. Juni
2018) in Bremerhaven beschlossen. Weitere Themen waren unter anderem der
Ausbau der vertraulichen Spurensicherung für Frauen, denen sexuelle
Gewalt widerfahren ist, ein besserer Schutz für Frauen in Wohnungs- und
Obdachlosigkeit sowie eine bessere Integration von geflüchteten Frauen
in die Arbeitswelt. Beschlossen hat die GFMK zudem die Förderung
geschlechterdifferenzierter Präventionsmaßnahmen vor
salafistisch-extremistischer Radikalisierung. Außerdem spricht sie sich
für Maßnahmen zur Unterstützung von Städten und Gemeinden gegen
sexistische Werbung aus, bittet um eine Bewertung gesetzlicher
Regelungen gegen den „Schlankheitswahn“ in der Mode-Branche und fordert
die Bundesregierung auf, die systembedingten Renten-Nachteile von
geschiedenen Frauen mit Erziehungs- und Pflegezeiten in der früheren
DDR auszugleichen. Der GFMK-Vorsitz wechselt jährlich, turnusgemäß liegt
er 2018 beim Bundesland Bremen, 2019 übernimmt Rheinland-Pfalz, 2020
das Saarland den Vorsitz der „Konferenz der Gleichstellungs- und
Frauenministerinnen und minister, senatorinnen und -senatoren der
Länder“ (GFMK).
Die Gleichstellunsministerinnen der 16 Länder mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der GFMK-Vorsitzenden Anja Stahmann (Mitte)

Die
Gleichstellunsministerinnen der 16 Länder mit Bundesfamilienministerin
Franziska Giffey und der GFMK-Vorsitzenden Anja Stahmann (Mitte)

„Jedes
Jahr verlieren in Deutschland rund 150 Frauen ihr Leben durch ihren
aktuellen oder den früheren Lebenspartner, die Zahl der Mordversuche
liegt zweimal so hoch. Und Tag für Tag zeigen 180 Frauen eine
Körperverletzung in der Partnerschaft oder durch den früheren Partner
an“, sagte Anja Stahmann, amtierende GFMK-Vorsitzende und Senatorin für
Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport in Bremen. „Gewalt in
nahen Beziehungen ist eine Menschenrechtsverletzung und Ausdruck eines
hierarchischen Geschlechterverhältnisses. Die Gesellschaft ist
gefordert, darauf eine angemessene Antwort zu finden. Der Anspruch auf
Schutz vor Gewalt darf an der Haustür nicht enden.“
Zentraler
Punkt der GFMK war daher die Umsetzung der Istanbul-Konvention, das
„Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen und häuslicher Gewalt“. Die Bundesrepublik hat es im
Oktober 2017 ratifiziert, in Kraft ist es seit Februar 2018. Die
Konvention enthält umfassende Verpflichtungen zur Prävention und
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie häuslicher Gewalt,
zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter.
In dem von
Bremen eingebrachten Leitantrag bittet die GFMK den Bund nun, eine
Gesamtstrategie im Sinne der Konvention zu entwickeln, in der Bund,
Länder, Kommunen und die Zivilgesellschaft verbindliche Verfahren
verabreden. „Dafür sind eine zentrale Koordinierungsstelle, angemessene
Ressourcen und eine unabhängige Monitoring-Stelle zur externen
Evaluation der Maßnahmen notwendig“, betonte Anja Stahmann. „Wir
brauchen eine Institution, die unabhängig von der jeweiligen Regierung
prüft, inwiefern die Maßnahmen ihre Ziele erreichen, ob sie den Bedarfen
entsprechen, und ob es zu unerwünschten Nebeneffekten kommt.“ Zudem
sollen grundlegende Fragen wie Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen von
Gewalt in nahen Beziehungen besser erforscht werden. Zum weiteren Ausbau
der Schutzkonzepte in Bund, Ländern und Kommunen soll auf Antrag
Berlins ein Runder Tisch eingerichtet werden. Gestützt durch Expertisen
sollen dort die zentralen Handlungsbedarfe festgelegt und eine
Gesamtstrategie gegen häusliche und sexuelle Gewalt entwickelt werden,
die auch einen Rechtsanspruch auf Hilfen bei häuslicher Gewalt
beinhaltet.
„Die GFMK setzt sich für ein Hilfe- und
Unterstützungssystem ein, das für alle Frauen gleichermaßen zugänglich
ist“, sagte die Senatorin weiter. So seien nur zehn Prozent aller
Frauenhäuser barrierefrei. „Das schließt Frauen mit körperlichen
Behinderungen viel zu häufig aus.“ Zugangsprobleme hätten auch Frauen
mit einer psychischen Erkrankung, mit Suchtproblemen oder Söhnen über 14
Jahren. Und schließlich seien die Versorgung mit Frauenhäusern nicht in
allen Regionen gesichert und die Finanzierung der Aufenthalte nicht für
alle Frauen geklärt. „Die Entwicklung darf also nicht stehenbleiben.“
Die GFMK begrüße ausdrücklich das Vorhaben der Bundesregierung, ein
Investitions-, Innovations- und Sanierungsprogramm für Frauenhäuser
aufzulegen.

Ausbau der Anonymen/Vertraulichen Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt
Auf
Antrag Nordrhein-Westfalens (NRW) fordert die GFMK die Bundesregierung
auf, eine bundeseinheitliche Lösung für eine Finanzierung von ärztlichen
und labortechnischen Leistungen im Rahmen der Anonymen/Vertraulichen
Spurensicherung zu schaffen.
„Frauen und Mädchen sind nach einem
Gewaltverbrechen häufig nicht in der Lage, die Tat anzuzeigen“, sagte
die amtierende GFMK-Vorsitzende, Senatorin Anja Stahmann. Tatspuren
würden dann im Regelfall nicht gesichert, ein Strafverfahren zu einem
späteren Zeitpunkt damit erheblich erschwert. „Allein die mündliche
Aussage der Opferzeugin ist mangels weiterer Beweismittel für eine
Anklage oft nicht ausreichend.“ Angebote zur Anonymen Spurensicherung
existieren in einigen Städten und Regionen, unter anderem in Bremen.
Häufig basieren sie auf Initiativen lokaler Netzwerke und Institutionen.
Die Kosten für die ärztliche Befunddokumentation und die erforderlichen
Laboruntersuchungen lassen sich nach derzeitiger Rechtslage nur dann
bei den Krankenkassen abrechnen, wenn zugleich eine Gewalttat angegeben
wird. Damit aber ist die Vertraulichkeit der Spurensicherung nicht mehr
zu gewährleisten. „Die Frage der Abrechnung darf eine spätere
Strafverfolgung nicht behindern“, sagte Senatorin Stahmann. Hier müsse
ein adäquates Modell gefunden werden, das bei Dritten keine Rückschlüsse
auf eine Straftat zulässt.

Opferentschädigungsgesetz zügig reformieren
Wenn
Opfer von Stalking, Menschenhandel und häuslicher Gewalt staatliche
Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)
beantragen, sollen zukünftig nicht nur körperliche Schäden, sondern auch
psychische Beeinträchtigungen berücksichtigt werden. Diese von der
Bundesregierung bereits 2013 angekündigte Reform solle nun zügig
angegangen werden, fordert die GFMK auf Antrag des Gastgeberlandes
Bremen unter Berufung auf die Istanbul-Konvention. Psychische Angriffe
könnten „im Einzelfall ebenso sehr gesundheitlich belastend und mit
vergleichbaren erheblichen wirtschaftlichen Folgewirkungen verbunden
sein“ wie körperliche Angriffe. Bei psychischer Gewalt sei der
unmittelbare Zusammenhang mit den Folgen viel schwerer nachzuweisen als
bei körperlichen Angriffen. Bei der Ausgestaltung des Gesetzes müsse
dieser Umstand daher berücksichtigt werden.

Beim Umgangs- und Sorgerecht dem Gewaltschutz Rechnung tragen
Zum
Umgangs- und Sorgerecht zwischen Eltern und Kindern hat die GFMK einen
Antrag des Bundeslandes NRW beschlossen, der auf einen besseren Schutz
der Gewaltopfer zielt. „Kinder sind von häuslicher Gewalt immer
mitbetroffen“, sagte Senatorin Stahmann. Einerseits könnten sie selbst
unmittelbar körperliche Gewalt erleiden, andererseits könnten sie
Augenzeugen werden. „Das bedeutet eine große psychische Belastung, die
in der Regel das weitere Leben mitprägt.“ Nach wie vor kritisieren
Fachberatungsstellen und Frauenhäuser zu Recht, dass Vorfälle häuslicher
Gewalt bei gerichtlichen Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht
häufig nicht im Sinne der Schutzbedürfnisse von Frauen und Kindern
berücksichtigt würden. Stattdessen werde dem Recht des Vaters auf
Kontakt zum Kind ein unter diesem Gesichtspunkt zu hoher Stellenwert
eingeräumt. Dabei werde außer Acht gelassen, dass gewalttätige Partner
die Kontakte zum Kind nutzen können, die getrennt lebende Partnerin
weiter zu bedrohen, unter Druck zu setzen und Gewalt auszuüben, vor
allem in den Übergabesituationen und bei Umgangskontakten. Die vom
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beauftragte
Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“, die voraussichtlich bis Ende 2018
erscheinen wird, kann einen Beitrag dazu leisten, eine möglicherweise
sich ergebende Schutzlücke in den Blick zu nehmen.

Frauen, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind
Wohnungs-
und obdachlose Frauen sind eine besonders verletzliche Gruppe unter den
Menschen in Wohnungsnot und bedürfen daher spezifischer Unterstützung.
Auf Initiative Niedersachsens bittet die GFMK die Bundesregierung, die
Bauministerkonferenz und die ASMK (Konferenz der Ministerinnen und
Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales) im Rahmen
ihrer Zuständigkeit,

  • die Anstrengungen im sozialen Wohnungsbau weiter zu verstärken
  • eine bundeseinheitliche geschlechterdifferenzierende Wohnungsnotfallstatistik einzuführen
  • auf
    Bundesebene Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Leitlinien und
    Konzepten zu initiieren, die den besonderen Anforderungen wohnungsloser
    Frauen Rechnung tragen. Das könne beispielsweise folgende Bereiche
    betreffen:
    o Prävention von Wohnungsverlust
    o Entwicklung und Ausbau idealtypischer und geschlechtsspezifischer
    Hilfen und Qualitätsstandards zum Beispiel in den Bereichen
    Körperhygiene, medizinische Betreuung sowie getrenntgeschlechtliche
    Versorgung und Unterbringung

Nach Schätzungen der
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sind etwa 27 Prozent aller
Wohnungslosen weiblich. „Häufig leben sie nicht auf der Straße, sondern
bei Bekannten, wo sie sich in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben, das
mit dem Risiko sexueller Ausbeutung und Gewalterfahrung einhergeht“,
sagte die amtierende GFMK-Vorsitzende, Senatorin Stahmann. Leben Frauen
auf der Straße, kämen zusätzliche Gesundheitsrisiken durch den Mangel an
Möglichkeiten zur Körperpflege hinzu. Damit Frauen die kommunalen
Hilfeangebote in Anspruch nehmen, sollte eine getrenntgeschlechtliche,
die Intimsphäre wahrende Versorgung bundesweit auch in Notunterkünften
sichergestellt sein.

„Rentengerechtigkeit für in der DDR geschiedene Frauen herstellen“
Ein
Beschluss gegen die Schlechterstellung von Müttern, die in der DDR
geschieden worden sind, ist auf Antrag der Länder Sachsen, Brandenburg,
Bremen und Thüringen verabschiedet worden. Der Bund wird damit gebeten,
bis 2019 ein Entschädigungsmodell zu entwickeln. Anders als nach
bundesdeutschem Recht, wo rentenbeitragsfreie Zeiten wegen der
Familienphase hauptsächlich durch den Versorgungsausgleich im Rahmen des
Scheidungsverfahrens finanziell gewürdigt werden, gab es in der DDR
einen Ausgleich im Wesentlichen über das Rentenrecht. Danach wurden
Zeiten zeitweilig verringerter Arbeitszeit in der Familienphase ohne
Abstriche für die Höhe der Rente anerkannt. Nach der Vereinigung im Jahr
1989 und der anschließenden Rentenüberleitung haben diese
Rentenansprüche in bundesdeutsches Rentenrecht aber keinen Eingang
gefunden. „Dadurch lebt jede zweite der betroffenen Frauen in den
ostdeutschen Ländern trotz Familien- und meist 40jähriger Erwerbsarbeit
heute an der Armutsgrenze“, sagte Senatorin Stahmann. Betroffen seien
rund 300.000 Frauen.

Bessere Integration von Frauen in die Arbeitswelt
Etwa
ein Drittel der nach Deutschland Geflüchteten sind Frauen. Sie
profitieren jedoch weniger, als es ihrem Anteil an Integrationsmaßnahmen
wie Sprachkursen und Beratungsangeboten entspricht. Auf Initiative des
Landes Bremen bittet die GFMK die Bundesregierung, finanzielle Mittel
für niedrigschwellige, quartiersnahe arbeitsmarktpolitische Maßnahmen
zur Verfügung zu stellen, die Frauen gut erreichen. Sie sollen flexibel
auf die Lebenssituation geflüchteter Frauen reagieren und dem oft
längerfristigen Förderbedarf gerecht werden. Die Angebote sollen
Kinderbetreuung beinhalten – deren Fehlen häufiger Grund dafür ist, dass
geflüchtete Frauen Kurse frühzeitig abbrechen oder gar nicht erst
beginnen – und gegebenenfalls geschlechtshomogen sein.
„Wir wissen
aus Befragungen, dass Frauen im Durchschnitt geringer formal
qualifiziert und weniger berufserfahren nach Deutschland kommen. Ihr
Wunsch nach Erwerbstätigkeit ist dennoch groß“, sagte die amtierende
GFMK-Vorsitzende Senatorin Stahmann. „Wir wollen verhindern, dass sich
Benachteiligungen von Frauen aus ihren Herkunftsländern fortsetzen und
den Zugang zu Bildung und Beschäftigung auch in Deutschland behindern.“
Eine gezielte, geschlechtsspezifische Förderung von Frauen mit
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sei daher erforderlich. „Wir brauchen
bei diesen Maßnahmen nicht nur Kinderbetreuung, sondern eine Begleitung
bei Übergängen zwischen einzelnen Maßnahmen, damit Frauen auf dem Weg in
den Arbeitsmarkt nicht verloren gehen“, betonte die GFMK-Vorsitzende.
Wichtige Faktoren seien: aufeinander aufbauender Spracherwerb und
gegebenenfalls Alphabetisierung sowie die Berücksichtigung informell
erworbener Kenntnisse und die Vermittlung von Orientierungswissen über
das Erwerbs- und Ausbildungssystem mit geschlechtersensiblen Ansätzen im
Quartier und in der Kommune.

Unterstützung der Städte bei Maßnahmen gegen sexistische Werbung
Auf
Antrag Niedersachsens hat die Konferenz die Bundesregierung
aufgefordert, Maßnahmen gegen sexistische Werbung zu unterstützen. Sie
hat die Kommunalen Spitzenverbände gebeten, sich bei ihren Mitgliedern
für entsprechende Maßnahmen der Städte und Gemeinden einzusetzen. Die
GFMK bittet die Kommune, gemeinsame Strategien zu entwickeln um
öffentliche Räume zu Orten frei von sexistischer Werbung zu machen. Die
GFMK sehe „mit Sorge, dass Sexismus in der Werbung nach wie vor vielfach
zu finden ist“, heißt es in dem Beschluss. Und weiter:
„Geschlechterdiskriminierende Werbung verfestigt Einstellungen und
Strukturen in der Gesellschaft, die zu Benachteiligungen im Sinne des
grundrechtlichen Gleichheitsgebots führen.“

Salafistisch-extremistische Radikalisierung von Mädchen und Frauen verhindern
Die
extremistisch-salafistische Szene erhält verstärkt Zulauf von Mädchen
und Frauen, die bei der Vernetzung, Anwerbung und über die
Ideologisierung ihrer Kinder massiv Einfluss ausüben. Auf Initiative
NRWs sieht die GFMK die dringende Notwendigkeit, die Rolle von Frauen in
extremistischen Spektren, derzeit speziell im extremen Salafismus,
eingehend zu betrachten und sie bei Präventions-, Deradikalisierungs-
und Ausstiegsmaßnahmen als spezifische Zielgruppe in den Blick zu
nehmen.
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass sich in
Deutschland zum Jahreswechsel 2017/2018 fast 11.000 Menschen der
salafistischen Szene angeschlossen haben. Der Landesregierung
Nordrhein-Westfalen sind 40 bis 50 aktiv netzwerkende
extremistisch-salafistische Frauen bekannt, die eine Strategie der
„kulturellen Subversion“ verfolgen und über praktische Tipps und Hilfen,
zum Beispiel bei der Kindererziehung, Vertrauen aufbauen, um im
Lebensalltag ideologisch zu indoktrinieren. Als besonders einflussreich
gelten Rückkehrerinnen aus IS-Gebieten. Bundesweit wird von etwa 50
Rückkehrerinnen ausgegangen. Einige sind desillusioniert und
deradikalisiert, andere wollen in Deutschland Einfluss ausüben.
Mädchen
und junge Frauen werden nach diesen Erkenntnissen in der Regel durch
Frauen angeworben. Oft wird ein Leben in Unabhängigkeit vom Elternhaus,
ein fürsorglicher Ehemann und die Aufnahme in eine Gemeinschaft
versprochen, die für Gerechtigkeit kämpft. Grundsätzlich vollzieht sich
die Radikalisierung von Mädchen und jungen Frauen mehr im unmittelbaren
privaten Umfeld und zudem innerhalb weniger Monate. Junge Menschen aus
zerrütteten Familien, in krisenhaften Lebenssituationen oder in
Identitätskrisen sind besonders empfänglich, aber auch in konservativ
islamischen Familien aufgewachsene Frauen, die es begrüßen, dass strenge
Regeln nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer gelten. In der
salafistischen Szene finden viele Wertschätzung, Anerkennung und eine
klar definierte Rolle, die identitätsstiftend und bestärkend wirkt.
Einige Mädchen und junge Frauen sehen im salafistischen Frauenideal ein
werteorientiertes Gegenmodell zur „westlichen“ Frauenrolle. So stellen
sich Salafistinnen und Salafisten als Gemeinschaft dar, in der die
inneren Werte von Mädchen und Frauen wichtiger sind als in der auf
Äußerlichkeiten bezogenen „westlichen“ Kultur.
Die GFMK bittet
Bund und Länder, in allen Programmen zur Demokratieförderung, zur
Extremismusprävention und zum Ausstieg aus extremistischen Szenen immer
auch die spezifische Rolle von Mädchen und Frauen im Blick zu haben. Es
sollen zudem Maßnahmen angestoßen werden, die

  • Eltern, Personal in Schulen und der
    Jugendarbeit über Gefahren und Erscheinungsformen
    extremistisch-salafistischer und anderen extremen Ideologien mit Blick
    auf die Mädchen aufklären
  • deutlich machen, wie extremistische
    Ideologien die Gleichstellung von Mann und Frau als grundlegenden
    gesellschaftlichen Wert in Frage stellen
  • gezielt Mädchen und
    junge Frauen über den extremistischen Salafismus und andere
    extremistische Ideologien aufklären und hierbei insbesondere die von
    ihnen genutzten sozialen Medien einbeziehen
  • Mädchen und junge Frauen gezielt stärken und sie so gegen gefährdende Faktoren immunisieren („Empowerment“)
  • einen Ausstieg aus der Szene und ein Leben in Sicherheit ermöglichen

Die GFMK sieht einen breiten gesellschaftlichen Austausch für erforderlich an.

„Schlankheitswahn“ in der Modebranche – gesetzliche Regelungen prüfen
Auf
Antrag des Landes Rheinland-Pfalz bittet die GFMK die Bundesregierung,
den Erfolg gesetzlicher Regelungen zu prüfen, nach denen Model-Agenturen
sich vor Fotoshootings oder Fashion-Shows eine aktuelle ärztliche
Bescheinigung vorlegen lassen müssen, in denen die Models nachweisen,
dass sie „vollständig gesund“ und „nicht untergewichtig“ sind. Solche
Regelungen gibt es bereits in Frankreich und in Israel. Darüber hinaus
sind in Frankreich Fotos, auf denen die Körperform von Models
nachträglich verändert wurde, kennzeichnungspflichtig. „Durch die Model-
und Modebranche werden vielfach unrealistische Schönheitsideale
transportiert, die gesundheitsgefährdendes Essverhalten fördern und vor
allem bei Mädchen und jungen Frauen zu lebensbedrohlichen Essstörungen
führen können“, heißt es in dem Beschluss. Und weiter: „Sogenannte
‚Size-Zero-Models‘ gaukeln ein Ideal vor, welches weder realistisch noch
gesund ist – und das gefährliche Langzeitschäden für Körper und Seele
hat, bis hin zum Tod.“
Magersucht ist danach die am weitesten
verbreitete Essstörung in Deutschland. Während laut Auskunft des
Bundesgesundheitsministeriums im Jahr 2000 von 100.000 Mädchen zwischen
15 und 24 Jahren 20 an Magersucht erkrankt waren, sind es heute 50. „Es
gibt kaum eine Erkrankung bei jungen Frauen, die eine so hohe
Sterblichkeitsrate hat wie Magersucht“, sagte die amtierende
GFMK-Vorsitzende, Senatorin Anja Stahmann.

GFMK 2019 in Rheinland-Pfalz
Im kommenden Jahr
wird Anne Spiegel, die rheinland-pfälzische Ministerin für Familie,
Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz zur 29. GFMK nach
Rheinland-Pfalz einladen. Bereits in diesem Jahr hat Rheinland-Pfalz mit
der von ihr initiierten Erörterung „Sexismus in Institutionen – Kultur
des Schweigens durchbrechen“ den Grundstock gelegt für das nächstjährige
Schwerpunktthema, das besonders die Auswirkungen des Machtgefälles
zwischen Männern und Frauen und die daraus resultierende strukturelle
Diskriminierung von Frauen im Fokus hat.
Staatssekretärin Dr.
Christiane Rohleder, die in Vertretung der Ministerin an der GFMK
teilgenommen hatte, erläuterte, dass die strukturelle Diskriminierung
von Frauen und Sexismus eng zusammenhängen. Obwohl Sexismus auch gegen
Männer gerichtet sein kann, sind Frauen im Alltag in weit größerem
Ausmaß von sexistischer Abwertung betroffen. Rohleder erklärte: „Wie
weit verbreitet extreme Formen des Sexismus wie sexuelle Übergriffe noch
sind, hat nicht zuletzt die MeToo-Debatte gezeigt. Daher ist mir
wichtig, dass das Bewusstsein für sexistische Diskriminierung weiter
gestärkt wird.“ Die Akzeptanz für offen negative sexistische
Einstellungen und Verhaltensweisen sei in den vergangenen Jahren zwar
gesunken, jedoch hätten gleichzeitig subtile und versteckte Formen der
Diskriminierung zugenommen.
An die Diskussion über die bereits in
diesem Jahr bei der Erörterung empfohlenen Maßnahmen wird die GFMK im
kommenden Jahr in Rheinland-Pfalz anknüpfen. Rohleder betont: „Ich freue
mich auf eine intensive und breite Auseinandersetzung mit diesem und
vielen weiteren wichtigen Themen.“

Weitere Beschlüsse:

  • Frauen mit Behinderung vor Gewalt schützen (Bremen)
  • Zugewanderte und geflüchtete Frauen vor Gewalt schützen (Bremen)
  • Gesetzliche
    Verankerung der Beteiligung von Frauenvertreterinnen beziehungsweise
    Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten am betrieblichen
    Eingliederungsmanagement (Berlin)
  • Rahmenbedingungen für eine gute Versorgung in der Geburts- und Hebammenhilfe gewährleisten (Baden-Württemberg)
  • Frauenspezifische Aspekte bei der Evaluation des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (Berlin / Saarland)
  • Zukunftsfähige
    und geschlechtergerechte Wissenschaft durch systematische Einbeziehung
    der Genderperspektive (Rheinland Pfalz / Berlin)
  • Vereinbarkeit
    von Familie und Beruf angesichts neuer Arbeitsformen und demografischer
    Entwicklung zukunftsorientiert gestalten (Niedersachsen / Thüringen)
  • Mehr Frauen in Führungspositionen in der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen (Berlin)
  • Frauenberufe aufwerten – akademische Ausbildung von Hebammen (Bremen)
  • Sexismus in Institutionen – Kultur des Schweigens durchbrechen (Rheinland-Pfalz)
  • 100 Jahre Frauenwahlrecht (Berlin)
  • Entwicklung der Geschlechterparität bei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern (Berlin)
  • Höhere Bewilligungsquote bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen für Mütter und Väter erreichen (Berlin)

Die Beschlüsse zum Leitantrag sowie die jeweilige Begründung im Wortlaut finden Sie hier… (LINK: https://www.gleichstellungsministerkonferenz.de/Beschluesse.html)
Alle
weiteren Anträge werden nach Abstimmung mit den Ländern nachgetragen
unter der Adresse 300898;
gleichstellungsministerkonferenz.de/Beschluesse.html

Foto: Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport/Jan Rathke

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